Corona-Pandemie - eine Herausforderung für die Amtsrichter

In Betreuungs- und Unterbringungsverfahren hat aktuell grundsätzlich gemäß §§ 34, 278 , 319 FamFG eine persönliche Anhörung des Betroffenen stattzufinden. Auskömmliches Infektionsschutzmaterial steht für die Anhörungen derzeit oft nicht zur Verfügung. Es besteht die Gefahr, dass Infektionsketten nicht unterbrochen, vielmehr fortgeführt werden können.

Der Amtsrichterverband strebt insofern eine kurzfristige Gesetzesänderung in Hinblick auf die Zulässigkeit von Anhörungen mit Fernkommunikationsmitteln ohne Sichtkontakt an. Initiative an den Deutschen Bundestag vom 21.03.2020.

Schreiben vom 21.03.2020

Der Amtsrichterverband hat eine Presseerklärung zur Lage an den Amtsgerichten abgeben.

Pressemitteilung vom 21.03.2020

Auf die Pressemitteilung erhielten wir zahlreiche Telefonanrufe aus dem Kollegenkreis sowie den folgenden bewegenden Leserbrief vom 25.03.2020. Auch die überregionale Presse der FunkeMedienNRW berichtete.

Soweit sich der Deutsche Richterbund NRW, von seinem pathetischen Ethos getragen, mit Schnellbrief vom 24.03.2020 gegen eine Gesetzesänderung ausgesprochen hat, sieht sich der Amtsrichterverband aufgrund der tatsächlichen Umstände und der Lage vor Ort dringend realitätsnah und für die Interessen der Amtsrichter sowie dem effektiven Schutz der rechtssuchenden Bürger verpflichtet und veranlasst, die Amtsrichter mit folgendem Schreiben vom 30.03.2020 zu informieren sowie mit gleichem Datum über die Bundesjustizministerin, den Justizminister NRW, den Rechtsauschuss des Bundestages, den Gesundheitsauschuss des Bundestages sowie die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen eine Gesetzesänderung erneut kurzfristig anzustoßen.

Katrin Helling-Plahr MdB, Expertin für Gesundheits- und Rechtspolitik der FDP-Bundestagsfraktion sowie Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, hat sich am 31.03.2020 gemeldet und unterstützt die Forderung des Amtsrichterverbandes zu kurzfristigen Änderungen bei Anhörungen in Betreuungssachen mit folgendem Pressestatement.

Johannes Fechner MdB, Rechts- und verbraucherpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, hat sich am 03.04.2020 gemeldet und will mit folgendem Schreiben die Situation im Auge behalten und gegebenenfalls reagieren.

Katja Keul MdB, Sprecherin für Rechtspolitik und Abrüstungspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, hat sich am 06.04.2020 gemeldet und befürwortet die Forderung des Amtsrichterverbandes mit folgenden Schreiben.

Am 09.04.2020 hat die Zeitschrift FamRZ eine Redaktionsmeldung mit einer Darstellung der aktuellen Sach- und Rechtslage sowie des Meinungsbildes in der Literatur veröffentlicht.

Unter dem 15.04.2020 fordert auch die Neue Richtervereinigung NRW in Abstimmung mit dem ARV eine sofortige Neuregelung des FamFG im Hinblick auf vorgesehene persönliche Anhörungen, siehe folgende Erklärung.

Endlich hat der Gesetzgeber die Problematik erkannt und sich der Sache angenommen. Nicht zuletzt aufgrund der maßgeblichen Stellungnahmen und Forderungen des Amtsrichterverbandes!

Mit dem Gesetzesantrag vom 06.05.2020 zu Drucksache 211/20 streben die Länder NRW, Hessen und Niedersachsen zum Schutz vulnerabler Personen bei richterlichen Anhörungen in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren nunmehr Änderungen der §§ 278, 319 FamFG an, die im Falle einer epidemischen Notlage eine ortsverschiedene Anhörung bei gleichzeitiger Bild- und Tonübertragung ermöglichen.

Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht ausreichend, soweit der Gesetzesentwurf keine Möglichkeit vorsieht, dann, wenn die Videotechnik nicht funktioniert (aus welchen Gründen auch immer), ausnahmsweise auf das Telefon zurückzugreifen oder ganz von der Anhörung abzusehen. Soweit der Gesetzesentwurf ferner eine Nachholung der persönlichen Anhörung nach dem Ende der epidemischen Notlage vorsieht, ist dies im Hinblick auf den erheblichen Rechtseingriff grundsätzlich zu bejahen, sollte jedoch eine Öffnungs- und Versagungsklausel enthalten, soweit sich der Regelungsgegenstand der Anhörung durch Zeitablauf erledigt hat, was in vielen Fällen eintreten dürfte.

Soweit bei den Unterbringungen nur die fixierungsähnlichen Maßnahmen nach § 312 Nr. 2 FamFG umfaßt sind, geht der Gesetzesantrag zu kurz, denn gerade die Unterbringungen nach § 312 Nr. 1 und Nr. 4 FamFG betreffen zu einem sehr hohen Prozentsatz (insbesondere Nr. 1)  ältere Betroffene und damit die hoch vulnerablen Personen, die geschützt werden müssen. Gleiches gilt mit einem geringeren Prozentsatz auch für die Maßnahmen nach § 312 Nr. 3 FamFG. Insoweit sollten alle Alternativen des § 312 FamFG einbezogen werden, verbunden mit einer Vulnerabilitätsprüfung im Einzelfall, erforderlichenfalls unter Hinzuziehung sachverständiger Stellungnahme.

Der Amtsrichterverband wird in Kürze zu dem Gesetzesentwurf eine Stellungnahme abgeben und hier veröffentlichen...

Mit Blick auf weitere Berufsverbände und spezielle Kommissionen: Irgendwann wird auch der letzte Amtsrichter merken, wo und wie seine Interessen vertreten werden...

Der Amtsrichterverband wird über die weitere Entwicklung berichten....

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